Mietleid

Nein, nein, hierbei handelt es sich nicht um einen profanen Rechtschreibfehler, sondern um das Phänomen des Schmerzes, der durch zahlungsunwillige Mieter mit Langzeitwohnabsichten verursacht wird. Nicht, dass Sie jetzt den Eindruck gewinnen, hier werde ordentlich auf die Tränendrüse gedrückt; das ist in keiner Weise beabsichtigt und passiert, wenn überhaupt, nur rein zufällig.

Als frischgebackene Kapitalanleger hatten wir nun natürlich den Wunsch, das eingehende Kapital anzulegen, und hier fingen die Probleme schon an – es ging nichts ein. Das ist natürlich nicht ganz richtig, denn hier und da tröpfelten schon vereinzelte Mietzahlungen bei uns ein, wobei es schon für unsere sehr optimistische Sichtweise spricht, hier den Plural zu verwenden.

Wie es unserem freundlichen Wesen entspricht, fragten wir höflich bei unseren Mietern an, was denn der Grund für die ausbleibenden Zahlungen sei. Uns wurde versichert, dass die Schuld eindeutig beim Amt liege, wir sollten dort doch einmal nachhorchen. Für einen ganztägig Beschäftigten stellte dies natürlich kein wirkliches Problem dar, und so nahm ich Kontakt mit der hiesigen Behörde auf. Das heißt, ich hätte gerne Kontakt aufgenommen, aber leider waren immer nur die Telefonleitungen, niemals die Büros besetzt. Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten durchschaut man das System, dass die Mitarbeiter nur ungern Gespräche von außerhalb annehmen, da diese oftmals mit einem nicht kalkulierbaren Arbeitsaufwand verbunden sind. Das kann man aber geschickt unterlaufen, indem man einfach eine Nummer innerhalb des Unternehmens anwählt, die überhaupt nichts mit der Leistungsabteilung zu tun hat. Dort schildert man dem Telefonpartner sein Problem, das dieser natürlich nicht zu seinem eigenen machen möchte. Also ist er bestrebt, den Sachverhalt schnellstmöglich an den zuständigen Kollegen abzugeben. Er verbindet den von außen kommenden Anrufer intern von Kollege zu Kollegen, und schon hat man den zuständigen Sachbearbeiter am Apparat. Was leider noch lange nicht bedeutet, dass einem auch die gewünschte Hilfe zuteilwird.

Nein, man könne leider nichts für uns tun, da der Mieter versäumt habe, seinen Antrag auf Mietkostenübernahme zu stellen. Hier trifft den Leistungsempfänger großes Ungemach, da er alle sechs bis zwölf Monate diesen Antrag persönlich bei seiner Leistungsstelle aktualisieren muss. Meine Mieter haben ihre Zeit auch nicht gestohlen, und selbst ein Tagesablauf ohne jegliche erwerbsbringende Tätigkeit bietet nicht immer die Möglichkeit, sich ein paar Minuten für solche Aktivitäten freizuschaufeln.

Wir haben unseren Mieter mehrfach kontaktiert, um ihn endlich dazu zu bewegen, seinen Antrag bei der zuständigen Behörde zu aktualisieren. Leider blieb unser Wunsch nach einer umgehenden Erledigung gänzlich unerfüllt. Es bestand sogar die Bereitschaft von unserer Seite, den Mieter abzuholen und ihn zum Amt zu bringen, um endlich wieder einen Mieteingang verbuchen zu können. Leider hat er auch diesen Termin verschwitzt, sodass wieder einmal kostbare Zeit verstrich. So ergab es sich dann, dass unsere Langmut sich im Laufe der Geschehnisse allmählich erschöpfte. In der darauffolgenden Woche suchten wir das persönliche Gespräch mit dem Uneinsichtigen.

Natürlich ist es oberste Vermieterpflicht, verständnisvoll und einfühlsam auf die Bedürfnisse seiner Schutzbefohlenen zu reagieren. Es ist wichtig, äußerste Ruhe zu bewahren und keinesfalls die Contenance zu verlieren. Aber genug ist genug, und so brach dann auch die schon monatelang schwelende Unzufriedenheit aus mir heraus, sodass folgende Worte fielen: „Wenn Sie nicht bis morgen Ihren fetten Arsch Richtung Sozialamt bewegt haben und den ausgefüllten Antrag vorlegen, ist es mit meiner Freundlichkeit endgültig vorbei.“

Witzigerweise kam diese Botschaft beim Empfänger vollumfänglich an, und so entwickelte sich eine ganz neue Art der zwischenmenschlichen Kommunikation. Leider hielt dieses Erfolgserlebnis nicht allzu lange an und schon nach einigen Wochen schalteten die meisten Mieter wieder komplett auf den ehemaligen Trägheitsmodus um.