Wer sich ein Mietshaus kauft, muss sich keine Sorgen machen, dass er fortan keine Sorgen mehr hat. Die werden täglich mehr – dank Messies, Mietnomaden und einem Hausmeister »mit doppelseitigem Ellenbogensyndrom, entstanden durch jahrelanges Aufstützen auf der Fensterbank «.
Thorsten Fiedler, Chef der Friedberger Eurogarant Autoservice AG, hat sich seinen Frust vom Leib geschrieben. »Der Nomade im Speck« heißt sein erstes Buch. Wer es gelesen hat und immer nochWohneigentum erwerben will, ist nicht zu retten.
Von Jürgen Wagner (Wetterauer Zeitung)
Vorsicht vor diesem Chef!
Als Thorsten Fiedler bei einem Einstellungsgespräch erfuhr, dass der Bewerber Anhänger der Frankfurter Eintracht ist, stand der eingefleischte OFC-Fan auf, bedankte sich höflich und erklärte das Gespräch unter Hinweis auf diesen nicht zu überbrückenden Interessenkonflikt für beendet. Dann mussten beide lachen und der Bewerber hatte den Job.
Die Mitarbeiter der Eurogarant, die seit Juni 2015 im Grünen Weg in Friedberg ansässig ist und Karosseriebetriebe mit Ersatzteilen versorgt, kennen die satirische Ader ihres Vorstandsvorsitzenden. Was sie nicht wussten: In seiner Freizeit betreibt der in Offenbach lebende Familienvater in einer Kleinstadt im Rhein-Main-Gebiet eine Art Außenstelle des Sozialamtes. Vor Jahren hat er dort ein Mietshaus gekauft. »Meine Frau und ich sind sehr spontan«, erzählt er. Das Haus war günstig und versprach eine Kapitalanlage für die Zukunft. »
So nahm dasVerhängnis seinen Lauf.
« Wasserrohrbrüche, Schnorrer, Heizöldiebe und Mieter, die von heute auf morgen die Mietzahlung einstellen und beim Vermieter für »Mietleid« sorgen – Fiedler hat all das und vieles mehr erlebt. Da ist zum Beispiel die Geschichte mit dem Nachtspeicherofen. Der funktioniere nicht, meinte eine Mieterin und entschied daher, künftig weniger Miete zu zahlen.Was sie offenbar nicht wusste: Man muss einen Knopf drücken, damit’s in der Wohnung warm wird. Fiedler schickte einen Heizungsfachmann vorbei, der dem Ofen die volle Heizleistung bescheinigte. Die Antwort der Mieterin war eine Anzeige wegen des Verdachts auf Körperverletzung. Sie gab nämlich vor, aufgrund des defekten Ofens an einer Lungenentzündung zu leiden, wurde arbeitsunfähig, musste ihre Ausbildung kündigen, verlangte Schmerzensgeld, die Bezahlung einer Haushaltshilfe, Lohnausfall und eine »lebenslange Rente wegen irreparabler Schädigung der Atemwege«.
Die Polizisten lachten sich schlapp über die Anzeige, der Staatsanwalt nicht minder, das Verfahren wegen Körperverletzung wurde eingestellt. Nachdem ein Gericht auch die übrigen Klagepunkte über mehr oder weniger notwendige Sanierungsarbeiten im Haus abgewiesen hatte, erholte sich die Mieterin binnen weniger Stunden vollständig und konnte, wie es im Buch heißt, »trotz der ärztlich prognostizierten lebenslangen Atemwegsprobleme wieder ihrem Lieblingssport nachgehen – sie läuft Marathon«.
Was nicht im Buch steht: Fiedler und seiner Frau wurde wegen der Anzeige auf Körperverletzung beinahe die Einreise in die USA verweigert. Wie hält man das aus?Was macht man, damit man über all dem Ärger, den Fiedler auf 215 Seiten beschreibt, nicht verrückt wird?
Man schreibt es auf und nimmt sich dabei selbst auf den Arm. »Ich komme in dem Buch ja nicht besonders gut weg«, räumt Fiedler lachend ein. Er nahm die Sache mit Humor und ließ seiner satirischen Ader freien Lauf. Zeitweise muss es ziemlich schlimm in dem Mietshaus mit sechs Wohnungen ausgesehen haben. »Ich wollte meinen Lesern aber keine ekelerregenden Fotos von vermüllten Zimmern zumuten«, sagt Fiedler. Das hätte sich kaum mit der ironischen Schreibweise vertragen.
Seine Frau Maria ist Grafikdesignerin, sie zeichnete nicht nur das Cover, sondern auch weitere Bilder von überfluteten Wohnungen, Ungeziefer und einem sich auf seinem Unrat ausruhenden Messie. »Das passt eher zu dem Buch als Fotografien.
« Eingestreut sind einige Gedichte, die sich in der Machart an den Versen von Heinz Erhardt orientieren: »Das Haus renoviert, / nach Rendite gegiert, / Mieter genommen, / Nomaden bekommen, / den Kürzeren zieht er: / derVermieter.«
Fiedler istVerkaufsprofi. Nach einschlägigen Erfahrungen mit Selbstkostenverlagen, die den Autoren viel Geld abknöpfen, aber wenig Leistung bieten, hat er die Sache mit dem Buch in die eigenen Hände genommen. Er suchte sich eine Lektorin und eröffnete eine Internetseite (siehe Kasten), über die er sein Erstlingswerk vertreibt.
Vor dem Verkaufsstart kurz vor Weihnachten machte er einen für Autoren eher ungewöhnlichen Test: »Ich habe wildfremde Leute angesprochen, sie in ein Café eingeladen und ihnen einige Passagen aus dem Buch vorgelesen. Die Leute haben gelacht, das lief sehr gut.«
Im Oktober präsentiert er den »Nomaden im Speck« auf der Buchmesse in Frankfurt. Fiedler hat Gefallen am Schreiben gefunden. Er plant schon ein neues, ebenfalls autobiografisch angelegtes Buch. Es handelt von sechs Freunden, die sich mit ihren Fahrrädern regelmäßig zu einer »Berg-ab-Tour« treffen, die genauso regelmäßig eher bergauf führt, geschrieben aus der Sicht eines Fahrradsattels.
Die Ausgangsfrage: Was bringt Männer im fortgeschrittenen Alter dazu, sich in unvorteilhaft geschnittene Radrennfahreranzüge zu zwängen und solche »T(ort)ouren« über sich ergehen zu lassen? Vielleicht, verrät Fiedler, ist es die Aussicht, eine Ausrede dafür zu haben, schon frühmorgens in einem Biergarten sitzen zu dürfen.